Dirk und das "Soziale Kapital"

Wenden Sie den Begriff auf ein selbst gewähltes (fiktives) Beispiel eines/r MigrantenIn in Deutschland an.

Der Begriff geht zurück auf den französischen Soziologen Pierre Bourdieu.Wenn man nach Bourdieu die Einteilung in soziale "Gruppen" vornehmen will, kann man die herkömmliche Einteilung nicht mehr verwenden, wer welchen Zugang zu Kapital hat, ist entscheidend, wobei Bourdieu nicht den in der Ökonomie vorherrschenden Kapitalbegriff verwendet. Man muß drei Formen des Kapitals unterscheiden: das ökonomische, kulturelle und soziale Kapital. Bourdieu meint nämlich mit Kapital die Zusammenfassung und das Zusammenwirken von Zeit und Arbeit. Kapital prägt auch die aus diesem Zusammenspiel sich ergebenden objektiven Strukturen (wenn die Gesellschaft von außen das Individuum einschränkt) und subjektiven Strukturen (der Habitus einer Person). Das soziale Kapital beschreibt unsere dauerhaften Beziehungen, unser soziales Netzwerk zu Freunden, Kollegen und Bekannten. Bezeichnend dafür steht das umgangssprachlich oft zitierte "Vitamin B". Wir gehören einer Gruppe an, die ein Gesamtkapital an gesellschaftliche Kontakten mitbringt. Je höher das Ansehen der Gruppe ist, desto höher der Status jedes Mitglieds. Diese Art Kapital aufzubauen, erfordert Beziehungsarbeit, eben Zeit und Arbeit. Jedoch gibt es einen Multiplikatoreffekt: das Gesamtkapital der Grupper ergibt sich aus den einzelnden Kapitalanteilen der Mitglieder der Gruppe. Und je mehr soziales Kapital jemand schon hat, desto weniger Beziehungsarbeit muß er noch leisten. Viel mehr sind andere um so stärker bestrebt, an diesem Kapital teilzuhaben.

Zum Beispiel der Migrantin: Ein Lesekreis aus Studentinnen trifft sich, wenn auch nur um privat zeitgenössische Literatur zu lesen, jeden Montag. Daran nimmt auch eine Sprachwissenschaftlerin und eine namhafte Berliner Theaterschauspielerin teil.(Erste verfügt über genügend kk, um teilzunehmen, zweite verfügt über das entsprechende sozale Kapital: sie kennt andere Wissenschaftler, Regisseure, Künstler, die das Ansehen dieses Lireaturkreises erhöhen, den sozialen Status und das soziale Kapital der Gruppe) Schon allein weil diese beiden anwesend sind, bringt man dem Literaturenkreis mehr Achtung und Respekt entgegen, ohne gesagt zu haben, welche Bücher nun genau dort besprochen werden. Die Migrantin hat nun die Sprachbarriere, d.h. es fehlt ihr am kulturellen Kapital der sicheren Beherrschung der deutschen Sprache. Obwohl sie über erstklassige Literaturkenntnisse in ihrer Muttersprache verfügt, wird sie noch nicht mal eingeladen, denn ihr kulturelles Kapital (die Bildung in Literatur ihrer Muttersprache) ist in diesen Kreisen wertlos. Sie hat mitunter mehr Literaturkritiken gelesen hat als die Schauspielerin. Kennt sie niemanden aus der Gruppe, der sie evtl trotzdem einlädt, kann sie keine Kontakte zu der Gruppe aufbauen (wenn sie kein "Vitamin B" hat). Hat sie in ein paar Jahren einen Roman veröffentlicht, der in diesem elitären Kreis besprochen wird, weil der Roman auch schon im Fernsehen vorgestellt wurde, stieg ihr Ansehen und ihr Status und sie wird nun doch eingeladen und bekommt die ersehnten Kontakte zur Litaeraturkritikerin oder Schauspielerin.

Dirk

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Topic revision: r1 - 19 Jan 2017, anisimova
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